Im Workshop “ Wie lässt sich Natursport mit Nachhaltigkeit vereinen? – Outdoor-Sportler überwinden den scheinbaren Gegensatz” diskutierte ich am 07.02.2014 gemeinsam mit den Teilnehmern über Chancen und Risiken von Sport in der Natur. Der Kurs fand im Rahmen des Aktionsprogramms der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Baden-Württemberg, Sport und Nachhaltigkeit statt. Geladen hatte der Landessportverband Baden-Württemberg e.V. (LSV) und die Geschäftsstelle der Nachhaltigkeitsstrategie. Es war der erste Kongress zum Thema in Deutschland.
Rund 250 Gäste aus Vereinen, Verbänden, Politik, Verwaltung und Schulen informierten sich einen Tag lang über Nachhaltigkeitskonzepte im Sport. “Allein die zahlreichen Mitglieder der über 11.000 Sportvereine in Baden-Württemberg verfügen über ein enormes Potenzial, um nachhaltiges Handeln im Alltag fest zu verankern. Auch der Schulsport kann dabei eine wichtige Rolle übernehmen, zumal Nachhaltigkeit auch ein zentrales Leitprinzip des neuen Bildungsplanes ist.” verlautet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg. Dort heißt es weiter “ In insgesamt sechs Workshops erfuhren die TeilnehmerInnen von ausgesuchten Experten aus Wissenschaft und Praxis, wie viele Handlungsfelder es für Sportvereine und -verbände gibt, um sich etwa für das soziale Miteinander oder den Schutz von Natur und Landschaft zu engagieren.”
Quelle: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg
Hier meine 13 Thesen für einen nachhaltigen Sport in und mit der Natur:
- Der seitens der Veranstalter für diesen Workshop gewählte Untertitel „Outdoorsportler überwinden den scheinbaren Gegensatz“ muss bis auf weiteres mit Fragezeichen versehen bzw. als Vision gesehen werden, da er als Status-quo-Aussage nur bedingt der Realität entspricht. Als Ziel ist er uneingeschränkt begrüßenswert.
- Nachhaltigkeit setzt die gleichzeitige Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Belange voraus. Also kann Natursport nur dann nachhaltig sein, wenn er auch umwelt-, natur- und biodiversitätsverträglich ist.
- Der Störungsdruck durch Outdoorsport auf die Natur nimmt permanent zu. Grund dafür sind technische Neuerungen, neue Sportarten, erweiterte Möglichkeiten durch gewerbliche Anbieter und Outdoorsport bei Nacht. So entstehen z.B. durch Kite-Surfen, Snow-Kiten, E-Mountainbikes, Bouldern, Schneeschuhwandern, Baumkletterparks und Geocaching Störungen an Orten, die bislang unbeeinträchtigt waren.
- Die zunehmende Zahl der nicht in Verbänden organisierten Sportler stellt – bei gleichzeitig sinkenden Mitgliederzahlen in den Sportverbänden – einen zunehmenden Störfaktor dar. Diese Sportler können weder gezielt angesprochen werden, noch sind sie durch verbandliche Informationsmaßnahmen oder freiwillige Vereinbarungen der Verbände erreichbar.
- Integrative Konzepte, die innerhalb eines Gebiets Sportausübung und Naturschutz harmonisieren, können bei sanften Sportarten und aufgeklärten Sportlern funktionieren. Sie sind, wo immer möglich, zu fördern, da sie die Verständigung und Kooperation und damit das gegenseitige Verständnis beider Seiten befördern.
- Segregative Konzepte zielen darauf ab, Naturschutzflächen und Flächen für die Ausübung von Natursport räumlich klar voneinander zu trennen. Sie sind vor allem dann sinnvoll bzw. notwendig, wenn es um besonders gefährdete, trittempfindliche oder ruhebedürftige Arten bzw. um sensible Lebensräume sowie um Natursportarten mit Stör- oder Zerstörungspotential geht.
- In Naturschutzgebieten muss sich der dort praktizierte Outdoorsport konsequent den jeweiligen Schutzzielen unterordnen. Mountainbike-Events durch Naturschutzgebiete mit besonders störungsempfindlichen Arten (z.B. Auerhuhn am Feldberg) sind daher ebenso abzulehnen wie das Kite-Surfen in den besonders für Rast- und Zugvögel bedeutsamen Wattenmeer-Nationalparken. Hier sollte ein gut ausgebautes System an speziell geschulten Rangern bzw. Guides etabliert werden, um gleichzeitig Informationsarbeit und Konfliktmanagement leisten zu können.
- Die gesetzlichen Bestimmungen sowie bestehende SchutzgebietsVerordnungen müssen unter Berücksichtigung neuer Sportarten regelmäßig aktualisiert und angepasst werden, da vielfach Unklarheit darüber besteht, ob eine neue Sportart in einem Schutzgebiet ausgeübt werden darf oder nicht (z.B. Skifahren ja aber Snow-Kiten nein bzw. Flugstart ja aber Überflug nein).
- Flexible Regelungen bzgl. der Ausübung von Natursportarten vor Ort sind zu bevorzugen, müssen aber einvernehmlich zwischen Naturschützern und Sportlern erarbeitet werden. Dadurch können nicht nur Jahreszeiten, Balzzeiten, Winterruhe, Wasserstände oder aktuelle Bruten besser berücksichtigt werden. Die gemeinsame Auseinandersetzung mit der konkreten Vor-Ort-Situation trägt auch zu tragfähigeren Lösungen und einem funktionierenden Konfliktmanagement bei.
- Kooperationsprojekte, Kooperationsveranstaltungen sowie gemeinsam erarbeitete Lösungen und Fachpositionen tragen ganz erheblich zu gegenseitigem Verständnis von Naturschützern und Sportlern und damit zur nachhaltigen Entwicklung bei. Daher sind Fachaustausch sowie Kooperationen zwischen beiden Akteursgruppen auf allen Ebenen zu fördern.
- Umweltbildung sollte bei allen Sportverbänden systematisiert und institutionalisiert werden. Ökologische Themen sollten fester Bestandteil von Fachübungsleiter- und Multiplikatoren-Lehrgängen sein. So können Sportler für Natur- und Umweltschutz sensibilisiert, Verständnis für ökologische Zusammenhänge gefördert und innerverbandliche Handlungs- und Entscheidungskompetenzen gewonnen werden. In Kooperation entwickelte Internetplattformen mit zielgruppenspezifischer Ansprache (z.B. www.respektieredeinegrenzen.ch) sind hierbei in besonderer Weise geeignet.
- Natursport ist Naturerlebnis und schafft emotionale Zugänge zu landschaftlicher Schönheit, intakter Natur und biologischer Vielfalt. In diesem Sinne sollten in Kooperation zwischen Naturschutz und Natursport in Biosphärengebieten und Naturparken gezielt Naturerlebnis-Projekte realisiert und wo möglich Naturerlebnisgebiete entwickelt werden, die speziell der sinnlichen Erfahrung und dem Erleben von Natur dienen.
- Für die vertiefende Auseinandersetzung von Sportverbänden mit dem Thema Nachhaltigkeit sollten für jede Sportart ein eigenes Leitbild für naturverträgliche Sportausübung sowie ein Nachhaltigkeits-Check und ein Biodiversitäts-Check erarbeitet werden bzw. vorliegen. Diese Vorgaben können Roadmap sowie Basis für ein qualifiziertes Controlling der verbandlichen Nachhaltigkeitsbemühungen sein.
Wie bedeutend und abwechslungsreich das Thema Nachhaltigkeit im Sport ist, spiegelte sich auch im Spektrum des Programms des Kongresses wider: Zu den Besuchern und Rednern gehörten Sprint-Europameisterin Verena Sailer, Fußballweltmeister Guido Buchwald und Dr. Ralf Roth von der Sporthochschule Köln. Hier die Workshop-Themen im Überblick:
- Was macht eine Sportveranstaltung nachhaltig?
Von regionalen Lebensmitteln bis zur Klimaneutralität. - Wie werden Sportstätten energieeffizienter?
Mit Öko- und Energiechecks effizienter wirtschaften. - Wie lässt sich Natursport mit Nachhaltigkeit vereinen?
Outdoor-Sportler überwinden den scheinbaren Gegensatz. - Welche nachhaltigen Mobilitätskonzepte gibt es für Sportler?
Umweltfreundlich unterwegs vom Training zum Turnier. - Welche Vernetzungspotentiale bieten Sportvereine?
Jugendliche, Freiwilligendienste, Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund gehören ins Team. - Wie kaufen Sportvereine nachhaltig ein?
Intelligente Beschaffung von Sportkleidung und -ausrüstung.
Via N! Nachhaltig Handeln können die Präsentationen der Referenten und Workshop-Leiter (auch meine) heruntergeladen werden. Ergänzend empfehle ich den Leitfaden Sport und Nachhaltigkeit, der vom Landessportverband Baden-Württemberg gemeinsam mit dem Kultus- und Umweltministerium entwickelt wurde. Auf 21 Seiten bietet er einen praktischen Überblick über nachhaltige Handlungsmöglichkeiten für Sportvereine.
Darüber hinaus stehe ich gern Rede und Antwort. Bitte nehmen Sie bei Interesse persönlich Kontakt mit mir auf. Vielen Dank.